Digitalisierung in Europa (Teil 1): E-Akte in der DACH-Region

3. Dezember 2025

In unserem ersten Blogbeitrag zur Reihe „Digitalisierung in Europa“ konzentrieren wir uns auf das Thema E-Akte in der DACH-Region und die Frage, welchen unterschiedlichen Herausforderungen jeder der drei großen DACH-Staaten Deutschland, Österreich und die Schweiz bei der Umsetzung der digitalen Akte begegnete. Spannend für uns war vor allem: Finden sich in den unterschiedlichen Ländern Ansätze, von denen wir für die erfolgreiche Implementierung von E-Akte-Systemen lernen können?

Deutschland: E-Akte Bund und mehr

Im Falle Deutschlands stellt vor allem die Komplexität durch den Föderalismus eine Herausforderung dar. Das Land hat 16 Bundesländer und eine Vielzahl von Kommunen, was unterschiedliche Lösungen, zeitliche Verläufe und Standards bedingt.

Im Bund erhielt die Firma Fabasoft mit der E-Gov-Suite den Zuschlag zu einer Lösung aus der die heutige „E-Akte Bund“ entstand. Mit dem Jahreswechsel 2024/2025 wurde der Roll-Out der E-Akte Bund in Deutschland offiziell abgeschlossen und der Wirkbetrieb beim zentralen IT-Dienstleister des Bundes „ITZBund“ aufgenommen. Heute ist die E-Akte Bund der zentrale Dienst für die elektronische Aktenführung der Bundesverwaltung in 200 Bundesbehörden.

Während auf Bundesebene mit der „E-Akte Bund“ auf eine einheitliche Lösung gesetzt wurde, zeigt sich in den Ländern und Kommunen ein heterogeneres Bild. Hier dominieren zwar die Produkte der großen Hersteller, daneben gibt es aber noch eine Vielzahl weiterer kleinerer E-Akte Systeme, die in deutschen Behörden zum Einsatz kommen. Dieses Nebeneinander verschiedener Softwarelösungen erschwert naturgemäß die Integration verschiedener Fachverfahren und die Etablierung ressortübergreifender Workflows.

Schweiz: GEVER

In der Schweiz wurden unter der Gesamtkoordination der Bundeskanzlei seit 2013 alle bundesweiten Aktivitäten rund um die elektronische Geschäftsverwaltung gesteuert und geführt. Die sogenannte „elektronische Geschäftsverwaltung“ (GEVER) ist hier zentraler Bestandteil der Digitalisierungsstrategie. GEVER wird als Sammelbegriff für elektronische Aktenführung in der öffentlichen Verwaltung verwendet.

Bereits 2019 wurde durch die „Verordnung über die elektronische Geschäftsverwaltung in der Bundesverwaltung“ festgelegt, dass die Schweizer Bundesverwaltung ihre geschäftsrelevanten Informationen in elektronischen Geschäftsverwaltungssystemen bearbeitet. Auf Bundesebene konnte im November 2021 im Bundesrat der Abschluss des Programms Genova verkündet werden. Heute wird die aktuelle GEVER-Lösung, basierend auf Acta Nova der RUBICON IT GmbH, von knapp 30.000 Mitarbeitenden genutzt.

Auch in der Schweiz sind kantonale und kommunale Autonomie sehr stark ausgeprägt, was dazu führte, dass, wie in Deutschland, auf diesen Ebenen verschiedene Produkte genutzt werden und teilweise sehr unterschiedliche „Reifegrade“ der E-Akte(n) in den verschiedenen Kantonen entstanden.

Österreich ELAK

In Österreich, das bereits früh, ab 2001, begonnen hatte in der Bundesverwaltung auf elektronische Aktenführung umzustellen, ist das vom Ministerium für auswärtige Angelegenheiten gemeinsam mit der Firma »Fabasoft« und der Firma »Unisys« entwickelte System ELAK, basierend auf der eGovernment-Lösung Fabasoft eGov-Suite, mittlerweile in weitgehend allen Dienststellen der Bundesverwaltung im Einsatz. ELAK, der „elektronische Akt“ wurde in den Bundesministerien in bundeseinheitlicher Form und nach einem Stufenplan in die Praxis umgesetzt.

Auch auf Landes- und Gemeindeebene wird das System eingesetzt, so setzen acht von neun Landesverwaltungen in Österreich auf die Fabasoft eGov-Suite und auch auf Gemeindeebene ist es zahlreich im Einsatz (u.a. Wien, Linz, Salzburg, Innsbruck und Graz.).

Auch in Österreich war es wichtig, dass die verschiedenen Fachverfahren und ressortübergreifenden Workflows miteinander verbunden sind. Hier konzentrierte sich in den letzten Jahren daher die Aufmerksamkeit verstärkt darauf, im Sinne einer evolutionären Entwicklung Schnittstellen zu anderen Verfahren zu schaffen.

Fazit und Ausblick

Dieser kurze Einblick in die noch junge Historie der elektronischen Aktenführung in der DACH-Region zeigt: Die Umsetzung von E-Akte-Systemen ist komplex und erfordert eine langfristige Strategie. Verschiedene Fachverfahren und ressortübergreifende Workflows müssen miteinander verbunden werden, um Effizienzpotenziale wirklich heben zu können. Die Etablierung von E-Akte-Systemen ist ein Prozess, der langfristige Strategie, Investition in digitale Infrastruktur, Qualifizierung und Change-Management, sowie Transparenz und Kommunikation erfordert.

Unsere Erfahrung in der Beratung zeigt aber auch, wichtiger als die Frage welches Software-Produkt zum Einsatz kommt, ist die Frage wie man das Werkzeug E-Akte in die (Arbeits-)Organisation einbettet. In den Einführungsprojekten können hier regelmäßig nur die Grundlagen für eine produktive Nutzung geschaffen werden.

Wie bei einem Hausbau wird in den Konzeptions-, Rollout- und Umsetzungsphasen zunächst „lediglich“ ein Fundament geschaffen, auf dem dann das „digitale Haus“ gestaltet werden kann. Die eigentliche Arbeit, d.h. die Verständigung über die Innengestaltung, die Einrichtung sowie all das, was ein Haus lebendig macht, das Zusammenwirken der verschiedenen Parteien geschieht dann nach dem „Richtfest“.

In dieser Phase gilt es die Dynamik der Veränderung zu nutzen, aus den ersten Erfahrungen mit der E-Akte gemeinsam zu lernen, Einführungs- und Projektstrukturen weiterzuentwickeln, Prozesse weiter zu digitalisieren, sowie z.B. durch Organisationsverfügungen fixe organisatorische Leitplanken zu schaffen. Ein weiterer wichtiger Baustein auf dem Weg der Digitalisierung ist die kontinuierliche Integration von Fachverfahren und eine klare Definition, welche Daten, an welchem Punkt im Fachverfahren und welche Daten in der E-Akte gepflegt und bearbeitet werden sollen.

Erst durch das Zusammenspiel von Informationen, Menschen und Technik kann so das volle Potenzial von elektronischen Akten wirklich voll ausgeschöpft werden.

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