Digitalisierung in Europa (Teil 1): E-Akte in der DACH-Region

Digitalisierung in Europa (Teil 1): E-Akte in der DACH-Region

In unserem ersten Blogbeitrag zur Reihe „Digitalisierung in Europa“ konzentrieren wir uns auf das Thema E-Akte in der DACH-Region und die Frage, welchen unterschiedlichen Herausforderungen jeder der drei großen DACH-Staaten Deutschland, Österreich und die Schweiz bei der Umsetzung der digitalen Akte begegnete. Spannend für uns war vor allem: Finden sich in den unterschiedlichen Ländern Ansätze, von denen wir für die erfolgreiche Implementierung von E-Akte-Systemen lernen können?

Deutschland: E-Akte Bund und mehr

Im Falle Deutschlands stellt vor allem die Komplexität durch den Föderalismus eine Herausforderung dar. Das Land hat 16 Bundesländer und eine Vielzahl von Kommunen, was unterschiedliche Lösungen, zeitliche Verläufe und Standards bedingt.

Im Bund erhielt die Firma Fabasoft mit der E-Gov-Suite den Zuschlag zu einer Lösung aus der die heutige „E-Akte Bund“ entstand. Mit dem Jahreswechsel 2024/2025 wurde der Roll-Out der E-Akte Bund in Deutschland offiziell abgeschlossen und der Wirkbetrieb beim zentralen IT-Dienstleister des Bundes „ITZBund“ aufgenommen. Heute ist die E-Akte Bund der zentrale Dienst für die elektronische Aktenführung der Bundesverwaltung in 200 Bundesbehörden.

Während auf Bundesebene mit der „E-Akte Bund“ auf eine einheitliche Lösung gesetzt wurde, zeigt sich in den Ländern und Kommunen ein heterogeneres Bild. Hier dominieren zwar die Produkte der großen Hersteller, daneben gibt es aber noch eine Vielzahl weiterer kleinerer E-Akte Systeme, die in deutschen Behörden zum Einsatz kommen. Dieses Nebeneinander verschiedener Softwarelösungen erschwert naturgemäß die Integration verschiedener Fachverfahren und die Etablierung ressortübergreifender Workflows.

Schweiz: GEVER

In der Schweiz wurden unter der Gesamtkoordination der Bundeskanzlei seit 2013 alle bundesweiten Aktivitäten rund um die elektronische Geschäftsverwaltung gesteuert und geführt. Die sogenannte „elektronische Geschäftsverwaltung“ (GEVER) ist hier zentraler Bestandteil der Digitalisierungsstrategie. GEVER wird als Sammelbegriff für elektronische Aktenführung in der öffentlichen Verwaltung verwendet.

Bereits 2019 wurde durch die „Verordnung über die elektronische Geschäftsverwaltung in der Bundesverwaltung“ festgelegt, dass die Schweizer Bundesverwaltung ihre geschäftsrelevanten Informationen in elektronischen Geschäftsverwaltungssystemen bearbeitet. Auf Bundesebene konnte im November 2021 im Bundesrat der Abschluss des Programms Genova verkündet werden. Heute wird die aktuelle GEVER-Lösung, basierend auf Acta Nova der RUBICON IT GmbH, von knapp 30.000 Mitarbeitenden genutzt.

Auch in der Schweiz sind kantonale und kommunale Autonomie sehr stark ausgeprägt, was dazu führte, dass, wie in Deutschland, auf diesen Ebenen verschiedene Produkte genutzt werden und teilweise sehr unterschiedliche „Reifegrade“ der E-Akte(n) in den verschiedenen Kantonen entstanden.

Österreich ELAK

In Österreich, das bereits früh, ab 2001, begonnen hatte in der Bundesverwaltung auf elektronische Aktenführung umzustellen, ist das vom Ministerium für auswärtige Angelegenheiten gemeinsam mit der Firma »Fabasoft« und der Firma »Unisys« entwickelte System ELAK, basierend auf der eGovernment-Lösung Fabasoft eGov-Suite, mittlerweile in weitgehend allen Dienststellen der Bundesverwaltung im Einsatz. ELAK, der „elektronische Akt“ wurde in den Bundesministerien in bundeseinheitlicher Form und nach einem Stufenplan in die Praxis umgesetzt.

Auch auf Landes- und Gemeindeebene wird das System eingesetzt, so setzen acht von neun Landesverwaltungen in Österreich auf die Fabasoft eGov-Suite und auch auf Gemeindeebene ist es zahlreich im Einsatz (u.a. Wien, Linz, Salzburg, Innsbruck und Graz.).

Auch in Österreich war es wichtig, dass die verschiedenen Fachverfahren und ressortübergreifenden Workflows miteinander verbunden sind. Hier konzentrierte sich in den letzten Jahren daher die Aufmerksamkeit verstärkt darauf, im Sinne einer evolutionären Entwicklung Schnittstellen zu anderen Verfahren zu schaffen.

Fazit und Ausblick

Dieser kurze Einblick in die noch junge Historie der elektronischen Aktenführung in der DACH-Region zeigt: Die Umsetzung von E-Akte-Systemen ist komplex und erfordert eine langfristige Strategie. Verschiedene Fachverfahren und ressortübergreifende Workflows müssen miteinander verbunden werden, um Effizienzpotenziale wirklich heben zu können. Die Etablierung von E-Akte-Systemen ist ein Prozess, der langfristige Strategie, Investition in digitale Infrastruktur, Qualifizierung und Change-Management, sowie Transparenz und Kommunikation erfordert.

Unsere Erfahrung in der Beratung zeigt aber auch, wichtiger als die Frage welches Software-Produkt zum Einsatz kommt, ist die Frage wie man das Werkzeug E-Akte in die (Arbeits-)Organisation einbettet. In den Einführungsprojekten können hier regelmäßig nur die Grundlagen für eine produktive Nutzung geschaffen werden.

Wie bei einem Hausbau wird in den Konzeptions-, Rollout- und Umsetzungsphasen zunächst „lediglich“ ein Fundament geschaffen, auf dem dann das „digitale Haus“ gestaltet werden kann. Die eigentliche Arbeit, d.h. die Verständigung über die Innengestaltung, die Einrichtung sowie all das, was ein Haus lebendig macht, das Zusammenwirken der verschiedenen Parteien geschieht dann nach dem „Richtfest“.

In dieser Phase gilt es die Dynamik der Veränderung zu nutzen, aus den ersten Erfahrungen mit der E-Akte gemeinsam zu lernen, Einführungs- und Projektstrukturen weiterzuentwickeln, Prozesse weiter zu digitalisieren, sowie z.B. durch Organisationsverfügungen fixe organisatorische Leitplanken zu schaffen. Ein weiterer wichtiger Baustein auf dem Weg der Digitalisierung ist die kontinuierliche Integration von Fachverfahren und eine klare Definition, welche Daten, an welchem Punkt im Fachverfahren und welche Daten in der E-Akte gepflegt und bearbeitet werden sollen.

Erst durch das Zusammenspiel von Informationen, Menschen und Technik kann so das volle Potenzial von elektronischen Akten wirklich voll ausgeschöpft werden.

IMTB BMC auf dem 12. Deutschen Vergabetag – KI, Compliance und moderne Beschaffung

IMTB BMC auf dem 12. Deutschen Vergabetag – KI, Compliance und moderne Beschaffung

Der 12. Deutsche Vergabetag brachte erneut Expertinnen und Experten der öffentlichen Beschaffung zusammen und bot einen konzentrierten Überblick über aktuelle Rechtsentwicklungen, Digitalisierungstrends und Praxisimpulse. Die IMTB-Beschaffungsmanagement & Consulting GmbH war gemeinsam mit VISION Consulting mit einem eigenen Partnerstand vertreten und präsentierte moderne Lösungsansätze für eine effiziente, sichere und zukunftsorientierte Vergabepraxis.

Ein Auftakt mit klaren Botschaften

Die Veranstaltung wurde durch drei hochrangige Rednerinnen und Redner eröffnet, die die strategische Bedeutung der öffentlichen Beschaffung eindrucksvoll hervorhoben. Gitta Connemann, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, betonte die Rolle des Vergaberechts als wirtschaftlichen Gestaltungshebel. Martina Klement, Chief Digital Officer (CDO) des Landes Berlin und Staatssekretärin für Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung, zeigte auf, wie unverzichtbar digitale und prozessorientierte Beschaffung für moderne Verwaltung ist. Dr. Alexander Eisvogel, Präsident des Beschaffungsamtes des BMI, ordnete aktuelle Herausforderungen ein und unterstrich den Stellenwert von Standardisierung und Effizienz in der staatlichen Einkaufsorganisation.

Starker Auftritt am Partnerstand!

Viele Teilnehmende nutzten den IMTB/VISION-Stand für fachliche Gespräche zu operativem Vergabemanagement, digitaler Transformation und technischer Beschaffungsberatung. Besonders gefragt waren Einblicke in den Einsatz generativer KI in Vergabestellen, datenschutzkonforme Prozessgestaltung und die Frage, wie öffentliche Auftraggeber angesichts des Fachkräftemangels Effizienzpotenziale realisieren können.

Workshop: „KI in der Vergabestelle: Effizienz trifft Compliance- Verantwortungsvolles Prompten“

Ein Höhepunkt des Vergabetags war der Workshop von Kathrin Lambrecht und Tom de Boer von der IMTB-Beschaffungsmanagement & Consulting GmbH. Ergänzt wurde das Team durch Josepha Rausch-Holst, Teamleiterin „Beschaffung und Vertragsmanagement“ der ALDB GmbH, einem spezialisierten IT-Dienstleister im öffentlich-rechtlichen Bereich. Frau Rausch-Holst brachte wertvolle Praxiseinblicke in die Digitalisierung von Beschaffungsprozessen ein.

Im Rahmen des Deutschen Vergabetags stellten Kathrin Lambrecht und Tom de Boer gemeinsam mit Josepha Rausch-Holst vor, welche Chancen und Grenzen der Einsatz von KI im öffentlichen Beschaffungswesen bietet. Zunächst wurden die zentralen rechtlichen Anforderungen erläutert, darunter die EU KI Verordnung, die DSGVO sowie die Vertraulichkeitspflichten nach VgV und UVgO. Zudem wurde die Verantwortung des Auftraggebers sowie die Bedeutung von Transparenz und Gleichbehandlung hervorgehoben.

Anhand eines Praxisbeispiels zur Smartboard-Beschaffung wurde gezeigt, wie generative KI den Prozess unterstützen kann etwa durch strukturierte Bedarfsermittlung, Echtzeit-Prompten für belastbare Textbausteine und den Einsatz von Prompt-Ketten zur Entwicklung vollständiger Spezifikationen.

Die wichtigsten Erkenntnisse

KI bietet große Effizienzpotenziale, insbesondere bei Analyse und Texterstellung. Gleichzeitig bleibt Rechtskonformität im Umgang mit sensiblen Daten essenziell. Risiken wie „Shadow AI“ machen sichere, kontrollierte KI-Frameworks und lokale Systeme notwendig. Erfolgsentscheidend bleibt die fachkundige menschliche Steuerung.

Fazit

Der 12. Deutsche Vergabetag hat gezeigt, dass KI im öffentlichen Beschaffungswesen angekommen ist. Mit dem gemeinsamen Stand von IMTB BMC und VISION Consulting sowie dem praxisorientierten Workshop konnte gezeigt werden, wie rechtssicherer, verantwortungsvoller und innovativer KI-Einsatz in Vergabestellen gelingt. Die IMTB BMC bleibt damit ein Impulsgeber für moderne, professionelle und technologisch fortschrittliche Beschaffungsprozesse.

B wie Boomerang-Kolleginnen und -Kollegen – IMTB 20 – von A bis Z

B wie Boomerang-Kolleginnen und -Kollegen – IMTB 20 – von A bis Z

B wie Boomerang-Kolleginnen und -Kollegen – IMTB 20 – von A bis Z

Im Jahr 2026 wird die IMTB 20 Jahre alt. Wir werden in einem kleinen Countdown in den nächsten 12 Monaten bis zum großen Ereignis die IMTB von A bis Z vorstellen.

Nachdem wir mit A wie Anfang gestartet waren, folgt heute B wie Boomerang-Kolleginnen und -Kollegen. Dazu holen wir ein bisschen aus…

Warum die IMTB so besonders ist? Tatsächlich sind es nicht nur unsere spannenden Projekte, tollen Team-Events, das alljährliche Sommerforum oder die angenehmen Büroräume. Natürlich tragen diese Dinge dazu bei, dass unsere Kolleginnen und Kollegen gerne hier arbeiten. Unser kununu-Rating spricht da Bände. Doch worum es eigentlich geht, ist das „M“ in IMTB: und das steht für M wie Menschen.

Wir verzeichnen eine sehr niedrige Fluktuation in der Belegschaft. Viele unserer Kolleginnen und Kollegen sind im wahrsten Sinne des Wortes gekommen um zu bleiben, teilweise schon weit über zehn Jahre. Was aber besonders erfreulich ist, sind unsere „Boomerang-Kollegen“, die einst gingen und wiederkehrten. Eine schönere Form der Wertschätzung gibt es wohl kaum!

Die Hintergründe ihrer Rückkehr sind so individuell wie die Menschen selbst, vereinen dennoch wesentliche Merkmale, wie zum Beispiel das familiäre Gefühl, die Freiheit und auch die Vielfalt.

Insgesamt gibt es sieben Boomerang-Kolleginnen und -Kollegen bei der IMTB. Einige von ihnen haben erzählt, wie lange sie fort waren und warum sie zurückgekommen sind.

Ute gehört mit fünf Jahren Pause zu den KuK, die am längsten weg waren. Sie kam vor inzwischen zehn Jahren zurück, weil sie die Projektvielfalt, das Arbeiten mit vielen verschiedenen Menschen und die Reisetätigkeit besonders zu schätzen weiß. „Und unser familiäres Klima bei der IMTB ist ohnehin unschlagbar.“, betont sie außerdem.

Juliane war drei Jahre weg. Sie schätzt die Flexibilität und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei der IMTB. „Außerdem finde ich das kollegiale, fast familiäre, freundschaftliche Miteinander sehr besonders“, erklärt sie. Auch die Aufgabenvielfalt ist etwas, das sie zur Rückkehr bewegt hat.

Ebenfalls drei Jahre weg war unser Kollege Marc. Warum er zum Boomerang-Kollegen wurde? „Die Möglichkeiten, eigenverantwortlich zu arbeiten und Themen selbst zu steuern sind bei der IMTB sehr umfassend und führen zu einer hohen Arbeitszufriedenheit.“

Unser Kollege Robin war tatsächlich nur ein knappes Jahr auf „Umwegen“; die Rückkehr fiel ihm dahingehend allzu leicht. „Hier finde ich eine bessere Work-Life-Balance, attraktive Entwicklungs- und Vergütungsperspektiven sowie die Möglichkeit, die thematische Ausrichtung und Professionalisierung aktiv mitzugestalten.“

All diese Gründe zeigen deutlich, worauf es den Menschen bei der Arbeit ankommt – sich wohlzufühlen und entfalten zu können.

Und was sagt unsere Geschäftsführung dazu? Wir haben Ralph Naumann gefragt und er fand auf Anhieb klare Worte zum Boomerang-Phänomen. Für ihn gilt nämlich: „Rebounce is a good bounce!“

„Man geht raus, lernt was, kommt zurück und ich finde es großartig, wenn man dann wieder da ist. Das bereichert auch uns, weil wir dadurch in der Regel ebenfalls neue Sichtweisen bekommen. Woanders erhält man nochmal eine andere Sicht und hat dadurch einen größeren Rucksack, aus dem man sich bedienen kann, um gute Beratungsleistungen zu erbringen.“

Auf die Frage, was dies über die IMTB als Arbeitgeber aussagt, antwortet er: „Es ist eine gewisse Auszeichnung, vielleicht aber auch eine Wertschätzung demgegenüber, wie wir arbeiten. Das ist für mich so eine Art Qualitätssicherung, nach dem Motto ´Im Vergleich zu anderen schneiden wir dann doch nicht so schlecht ab´.“

Wir finden: Das ist etwas, das sich definitiv sehen lassen kann.

Schön, dass ihr (wieder) da seid, liebe Boomerang-Kolleginnen und -Kollegen!

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Werkstattbericht – IMTB unterstützt Umsetzung des elektronischen Kommunalarchivs in Sachsen

Werkstattbericht – IMTB unterstützt Umsetzung des elektronischen Kommunalarchivs in Sachsen

Das elektronische Kommunalarchiv Sachsen (elKA)

Zum elKA-Tag am 11.11.2025 in Dresden stellten die elKA-Leitstelle der Sächsischen Anstalt für kommunale Datenverarbeitung (SAKD – https://www.sakd.de/elka.html) und die unterstützend tätige IMTB Consulting GmbH die erreichten Ergebnisse einer erfolgreichen Archivgeschichte vor. Hintergrund dafür ist das baldige Auslaufen eines Projekts zur Einführung von diversen Archivmodulen im elKA, welches die Funktionsbreite des Archivangebots für sächsische Kommunen erheblich erweitern soll und spannende Ergebnisse erbracht hat.

Das elKA ist ein gebührenfinanziertes Angebot zur Archivierung von digitalen Objekten an alle sächsischen Kommunen, welches zum elKA-Tag 2025 bereits 62 große und kleine Kommunen nutzen. Die Geschichte des Angebots beginnt im Jahr 2018 mit dem Auftakt eines Projekts zur Umsetzung eines gemeinsamen Archivangebots für sächsische Kommunen auf Betreiben der kommunalen Spitzenverbände SSG (Sächsischer Städte- und Gemeindetag) und SLKT (Sächsischer Landkreistag). Bereits in diesem Projekt unterstützte die IMTB bei der Konzeption, fachlichen Ausgestaltung, Archivlösungsauswahl und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für das künftige elektronische Archiv. Im Jahr 2022 nahm das elKA den produktiven Betrieb und die ersten Archivalien sächsischer Kommunen bei der SAKD auf. Archivlösung der Wahl ist nach ausgiebigen Sondierungen die DIMAG-Lösung, welche deutschlandweit in vielen kommunalen und Landesarchiven im Einsatz ist. Besonderheit in Sachsen ist die Einrichtung einer bei der SAKD angesiedelten und mit derzeit vier Personen besetzten Leitstelle, welche teilnehmenden Kommunen Unterstützung bei Anbindungs- und archivischen Fachfragen bietet, sowie die Koordination mit dem DIMAG-Verbund übernimmt.

Funktionserweiterung des elKA

Die Archivierung von Objekten aus diversen Liefersystemen – von E-Akten bis Ratsinformationssystemen oder Fachverfahren zur Meldedatenerfassung – ist ein hochkomplexes Unterfangen. In der Basislösung stellt DIMAG dazu das DIMAG-Kernmodul samt Übernahmewerkzeug (IngestTool) zur Verfügung. Um den speziellen und vielfältigen Anforderungen vollumfänglich gerecht zu werden, sind diverse Zusatzarchivmodule nötig, welche folgende Funktionsschwerpunkte bedienen:

  • DIWI – ein Modul zur Vorbereitung und Ingestierung von Webseiteninhalten für die Archivierung
  • DIWA und x-man – zwei Module, welche beide der Ingestierung von E-Akte-Inhalten dienen. (Eigentlich war hier nur eine Lösung vorgesehen. Das Werkzeug x-man ist mit dem Beitritt des Freistaats Thüringen zusätzlich in den DIMAG-Verbund gekommen.). Die Bandbreite an E-Akte-Systemen in Sachsen umfasst diverse Produkte (bspw. VIS, Winyard, RegiSafe, E-Gov-Suite, etc.). Die Leitstelle ist mit mehreren Herstellern im Kontakt, um den jeweils individuellen Anforderungen der Produkte an die Archivierung gerecht zu werden und möglichst einheitliche Prozesse zu etablieren.
  • IPM – ein Modul zur Vorbereitung und Ingestierung von Dateisammlungen aller Art (ggf. auch nutzbar für bspw. Schriftgutportionen aus E-Akte-Systemen, da diese auch eine Art Dateisammlung darstellen)
  • AccessTool – ein Modul für die Nutzbarmachung (Aushebung) von Archivalien für interne und externe Nutzende
  • BEM – ein Modul zur Bestandserhaltung von Archivalien (derzeit in Entwicklung durch das Landesarchiv Thüringen)

Zusätzlich wurden in den letzten zwei Jahren durch die Leitstelle weitere notwendige Projekte vorangetrieben, die den sächsischen Besonderheiten und grundsätzlichen archivischen Anforderungen Rechnung tragen. Dazu gehören:

  • Projekt TransConnect – eine in Sachsen bei einigen Kommunen im Einsatz befindliche Datenaustauschplattform, welche auf Wunsch von Kommunen für den Ingest aus E-Akte-Systemen in das DIMAG-Kernmodul befähigt werden soll.

Projekt AFIS-Anbindung – zahlreiche Archive nutzen eines der am Markt verfügbaren Archivfachinformationssysteme (AFIS, bspw. ACTApro, AUGIAS, Faust etc.) zur Erschließung von Archivalien, Pflege der Metadaten von Archivalien und Strukturierung von Archivbeständen. Für eine komfortable und zukunftsfähige Nutzung ist eine Schnittstellenverbindung zwischen AFIS und DIMAG-Modulen notwendig. Die Leitstelle ist hierzu mit Dienstleistern in zwei Schnittstellenprojekten befasst.

Pionierarbeit des elKA

In vielerlei Hinsicht wird mit der Arbeit der elKA-Leitstelle in Sachsen Pionierarbeit für die Archivierung von digitalen Objekten in ganz Deutschland betrieben:

  • Grundsätzlich ist mit der Organisation per Leitstelle ein Entwurf gelungen, der den Anforderungen der Kommunen offenbar ideal Rechnung trägt und bisher deutschlandweit einzigartig in der Archivwelt ist. Das Beispiel wird gesehen und nachgefragt.
  • Es zeigte sich in den letzten beiden Jahren für die Leitstelle überraschend, dass die oben benannten DIMAG-Module zwar im Verbund entwickelt und bereitgestellt wurden, außer ggf. bei den entwickelnden Institutionen selbst jedoch bisher keine bzw. nur sehr wenige produktive Umsetzungen existieren. Das elKA ist damit bei den eingeführten Modulen der erste Nutzende bzw. unter den ersten Nutzenden deutschlandweit. Hieraus resultieren einerseits zahlreiche positive Entwicklungsanstöße, die in den DIMAG-Verbund zurückgespielt werden konnten, andererseits aber auch eine Menge technischer und organisatorischer Herausforderungen, die der Praxiseinsatz bisher unerprobter Anwendungen mit sich bringt.
  • Nicht unerwartet, aber ungemein hemmend ist der Umstand, dass ein zentraler Standard der Schriftgutverwaltung – XDOMEA – bei keinem der in Sachsen im Einsatz befindlichen E-Akte-Produkte wirklich valide und einsatzbereit umgesetzt ist. In der Folge waren und sind erhebliche Aufwände in die Abstimmung mit zahlreichen Dienstleistern geflossen, um einen einheitlichen Übertragungsweg von zukünftigem Archivgut ins Archiv zu realisieren. Da alle betroffenen E-Akte-Produkte auch außerhalb Sachsens in Kommunen, bei Landesverwaltungen und selbst in der Bundesverwaltung im Einsatz sind und dort die gleichen Probleme anstehen, leistet die Leistelle elKA hier wesentliche Beiträge für die digitale Schriftgutverwaltung deutschlandweit.
  • Da eine Archivalie am Ende nur Sinn macht, wenn sie wiederauffindbar ist, hat die Leitstelle elKA sehr pragmatisch den Leistungsfokus auch auf das Thema „Anbindung von AFIS“ an das Archivsystem gerichtet. Ähnlich wie im Fall von XDOMEA findet sich hier ein deutschlandweiter Bedarf, den die Leitstelle im Sinne der sächsischen Kommunen adressiert und damit eine Ausstrahlung in ganz Deutschland erreicht.

Ergebnisse der Moduleinführung

Zentrales Ziel des Projekts in den Jahren 2024 und 2025 war die Einführung der verfügbaren DIMAG-Module im elKA. Besonderheit an dieser Stelle ist, dass jedes Modul eine eigenständige Softwareanwendung darstellt, welche einen je individuellen Hersteller (Entwicklungspartner DIMAG), je individuelle Hardware- und Betriebsumgebungsanforderungen (teilweise eigene Server notwendig), eine je individuelle Benutzeroberfläche, individuelle Konfigurationsanforderungen etc. hat. Im Ergebnis waren im Rahmen der Moduleinführung gewissermaßen mehrere mittelgroße Softwareeinführungsprojekte mit diversen beteiligten Partnern, Dutzenden betroffenen Endanwendenden und gegenseitigen Abhängigkeiten zu bewältigen. Für jedes Modul waren zunächst eine Testinstallation und -konfiguration sowie elKA-interne Tests und Nutzenabwägungen zu vollziehen. Im Anschluss wurde der Moduleinsatz je nach Möglichkeit des Moduls als Webservice oder als Eigeninstallation bei den Kommunen mit interessierten Kommunen pilotiert und schließlich nach erfolgreicher Pilotierung in den produktiven Einsatz gebracht bzw. soll noch in den produktiven Einsatz gebracht werden. In einigen Fällen wurde der Einsatz des Moduls ausgesetzt, weil eine besser geeignete Alternative vorhanden war (DIWA – x-man) oder weil das Modul noch weitere Entwicklung bis zur Einsatzfähigkeit benötigt (AccessTool, BEM).

Im Ergebnis ist damit für sächsische Kommunen ein beispielhaftes Angebot zur Archivierung von digitalen Objekten entstanden, welches mittlerweile seit über drei Jahren im produktiven Einsatz ist, während nützliche Erweiterungen sukzessive ergänzt wurden bzw. in den kommenden Jahren ergänzt werden.

Es war den beteiligten Mitarbeitenden der IMTB eine Freude, mit einem engagierten und kompetenten Leitstellenteam den Herausforderungen der DIMAG-Einführung zu begegnen und daran zu wachsen. Wir sind gespannt auf die weitere Entwicklung.

Florian – Ein Gespräch über Kunstgeschichte, Archive, die E-Akte und die IMTB

Florian – Ein Gespräch über Kunstgeschichte, Archive, die E-Akte und die IMTB

Wir treffen unseren Kollegen Dr. Florian Gläser auf einen kleinen Spaziergang von unserem Kölner Büro zum Rhein. Unterwegs plaudern wir munter über Architektur der 50er und 60er Jahre, Kölner Stadtgeschichte und landen an der Bastei am Rheinufer.

Das ist der Überrest eines früher militärisch genutzten Turms, dessen Fundament man in den 1920er Jahren genutzt hat, um darauf ein Restaurant zu errichten. Man hat damals diesen schönen expressionistischen Aufsatz draufgesetzt. Im Krieg war das Bauwerk zerstört und ist danach nochmal aufgebaut worden. Das Ganze stammt vom berühmten Architekten Riphahn, der in Köln vor allem in den 50er Jahren viel gebaut hat. Die Bastei ist jetzt aber geschlossen, weil das Gebäude komplett sanierungsbedürftig ist.

Ich liebe es, wenn Leute so viel über ihre Stadt wissen ….

Das ist so ein bisschen mein Erbe, das sonst nicht mehr so zum Tragen kommt. Ich habe mal Geschichte und Kunstgeschichte studiert.

Du bist also auch einer von den IMTB-Kollegen, die nicht aus einer Fachrichtung stammen, die man gemeinhin erwarten würde.

Genau. Ich habe ganz breit angefangen: Geschichte, Politik, spanische Philologie und Philosophie. Eigentlich waren mein Schwerpunkte Geschichte und spanische Philologie. Und dann bin ich im dritten Semester Vater geworden und habe gedacht: Um Spanisch ernsthaft zu studieren, müsste man ein Jahr nach Spanien gehen. Das ging aber nicht, weil ich natürlich als Vater hier unverzichtbar war. Also bin ich geblieben und habe noch ein neues Zweitfach gebraucht. Das wurde Kunstgeschichte. Bei Geschichte war ich schon mit allen Scheinen durch und habe dann in drei Semestern alle Scheine fürs Nebenfach gemacht.

Bei Kunstgeschichte bin ich bis zur Doktorprüfung geblieben. In meiner Doktorprüfung waren – ergänzend zu meinem Schwerpunkt „Mittelalter“ im Hauptfach Geschichte – meine Schwerpunktthemen Gotik, mittelalterliche Buchmalerei und mittelalterliche Plastik. Du kannst mich also wenig zu moderner Kunst und auch wenig zu frühneuzeitlicher Kunst fragen.

Also hast du Geschichte und Kunstgeschichte abgeschlossen. Wie ging es nach dem Studium weiter?

Danach lief es für mich an der Uni erstmal super. Ich hatte früh einen Job als Wissenschaftliche Hilfskraft und nach der Magisterarbeit eine halbe Mitarbeiterstelle. Da konnte ich meine Dissertation schreiben und habe auch in der Lehre angefangen. Man denkt in dem Moment ja, dass es immer so weiter geht. Aber dann hat mein Doktorvater plötzlich seine Aktivitäten eingestellt und in so einem Uni-Betrieb ist man nun mal auf Gedeih und Verderb dem Doktorvater ausgeliefert.
Wenn man versucht, sich auf Mitarbeiterstellen an anderen Unis zu bewerben, haben die alle ihre eigenen Leute herangezogen. Man kommt da nicht rein. Es ist eine absolute Ausnahme, dass wirklich ernsthaft jemand von außerhalb gesucht wird.
Aber ich hatte an der Uni schon in einem DFG-Forschungsprojekt gearbeitet, bei dem ich viel in Archiven unterwegs war. Da habe ich mir gedacht: Das ist doch eigentlich ein interessantes Arbeitsfeld, bewirb dich doch mal für den Archivdienst. Und das habe ich dann gemacht. Es ist ein super enges Nadelöhr. Bundesweit werden ungefähr 20 Personen pro Jahr, verteilt auf die verschiedenen Landesarchivverwaltungen ausgebildet. Und für den höheren Archivdienst ist die Promotion Voraussetzung. Man absolviert da zunächst ein Referendariat und ich bin damals schon in großen Schritten auf die Altersgrenze von 32 Jahren zugeschritten. Im allerletzten Jahr, in dem das noch möglich gewesen ist, habe ich es dann geschafft.
Ich habe das Archivreferendariat zwei Jahre gemacht und anschließend ein paar Jahre als Archivar gearbeitet. Für die digitalen Themen in dem Berufsfeld habe ich mich damals schon interessiert. Die Archivare waren nämlich ganz früh am Thema „Digitale Archivierung“ dran. Zu einem Zeitpunkt, als die Verwaltungen noch weit weg waren von der E-Akte, haben die Archivare sich schon vorbereitet und sich gefragt: Was machen wir, wenn die Verwaltungen uns E-Akten abgeben?
Ich bin damals oft zu Veranstaltungen gefahren, z. B. zur Jahrestagung E-Akte und dort bin ich mit Herrn Ullrich von Infora ins Gespräch gekommen. Er hat irgendwann gesagt: „So jemanden wie Sie suchen wir; jemanden, der selber die Innensicht aus der öffentlichen Verwaltung hat, der sich mit diesen Themen schon beschäftigt hat und das ganze Thema Schriftgutverwaltung systematisch gelernt hat“. Es gibt ja keine Registraturausbildung in den Verwaltungen mehr. Die einzigen, die das systematisch curriculumbezogen lernen, sind die Archivare. Und da mein letzter Job als Archivar in einer Archiv-Beratungsstelle war, ich also Archive beraten hatte, kannte ich die Beratungstätigkeit und das projektbezogene Arbeiten. Der Schritt war eigentlich sehr klein.
Wenn man also denkt: „Wie wird man vom Mediävisten zum Unternehmensberater? Das ist doch ein Riesenschritt!“ Mit diesen Zwischenschritten ist es total plausibel.

Und schon warst Du mittendrin in der Beratungsbranche.

Ja, ich habe bei der Infora angefangen und gemerkt, dass mir das Spaß macht. Ich konnte mich mit meinem Fachwissen einbringen, denn ich war ja nicht so ein absoluter Neuling. Und ich habe vieles andere gelernt, Projektmanagement zum Beispiel. Das hatte ich vorher im öffentlichen Dienst nicht so systematisch gemacht.
Bei Infora lief es eine ganze Weile gut, aber ich bin dann doch weitergezogen, habe andere Erfahrungen gesammelt und 2019 zur IMTB gekommen. Gemessen an meinem Alter bin ich noch nicht so lange in der Beratung, erst seit 16 Jahren. Andere, die direkt nach ihrem Studium in die Beratung gegangen sind, sind länger dabei, aber jünger als ich.

Aber es ist eigentlich auch ganz schön, den Blick aus verschiedenen Richtungen zu haben, oder?

Ja, das auf jeden Fall. Ich hatte am Anfang meiner Beratungskarriere relativ schnell große Projekte in mehreren katholischen Bistümern. Da habe ich gemerkt, wie wichtig es ist, je nach Kundenumfeld den richtigen Ton zu treffen und die richtige „Sprache“ zu sprechen. Und da ich in diesem Umfeld auch so ein bisschen sozialisiert bin, konnte ich also mit meinen Ansprechpartnern so reden, dass sie nicht dachten: „Was ist das denn für einer!“ Das waren teilweise große Projekte mit bis zu 450 Personentagen, bei denen wir die E-Akte mit allem Drum und Dran vorbereitet haben.

Kanntest Du die IMTB schon aus Projekten?

Ja, ich hatte schon mit einigen Kolleginnen und Kollegen in einem Projekt zusammengearbeitet. Ich fand es damals so schön zu sehen, wie sie miteinander umgegangen sind und dachte mir, dass es bestimmt nett ist, da zu arbeiten. Und dann habe ich einfach mal bei einem der Geschäftsführer, der auch in diesem Projektteam war, gefragt. Es hat dann noch etwas gedauert, weil sich die IMTB so einer Art unausgesprochener Vereinbarung verpflichtet gefühlt hatte, dass man nicht aus gemeinsamen Projekten die Leute abwirbt. Aber ich habe nicht lockergelassen und man ist sich dann einig geworden.

Als Du zur IMTB gekommen bist, warst Du ja einer von denjenigen, die bei uns die Rolle Team-Manager entwickelt und als erstes mit ausgefüllt haben.

Stimmt. Da war ich noch gar nicht so lange dabei. Ich habe im Juli 2019 angefangen und wir haben uns zum ersten Mal vor der Weihnachtsfeier in Dresden 2019 zusammengesetzt und Vorüberlegungen angestellt: Was will die Geschäftsführung eigentlich von der Rolle? Was können wir uns vorstellen? Wie gestalten wir das aus?
Wir mussten also klären: Was trägt eigentlich diese Rolle? Ist das eine Funktion oder ist das ein Status oder eine Kombination aus beidem? Und in welchem Verhältnis ist das eine Kombination? Das war wirklich ein Prozess und die Vorstellungen davon, was genau die Rolle ausmacht, haben zwischen uns und der Geschäftsführung nicht von Anfang an übereingestimmt.
Am Ende ging es dann um Unterstützung und Entlastung bei der Angebotserstellung. Und später kam noch das Thema Personalentwicklung hinzu. Das war am Anfang aus der Sicht der Geschäftsführung gar nicht so vordergründig Teil der Aufgabe. Wir Teammanagerinnen und Teammanager haben allerdings in diesem Punkt fast einen noch größeren Bedarf gesehen. Wir wurden ja als Firma immer größer und es wurde für die einzelnen Geschäftsführer schwieriger im Detail mitzubekommen, was die einzelnen Kolleginnen und Kollegen bewegte.

Und Ihr habt das dann gemeinsam mit der Geschäftsführung erarbeitet?

Genau. Wir haben immer wieder Vorschläge entwickelt, uns Feedback abgeholt und immer wieder weiterentwickelt. Es sind dann Sachen herausgearbeitet worden, wie: Hat jeder Teammanager ein festes Team, ja oder nein? Wir haben entschieden, dass wir ein komplett festes Team eigentlich nicht wollen, weil so etwas dann schnell Abteilungscharakter bekommt. Und dann stellt sich natürlich die Frage, in welchem Turnus wir die Teams neu zusammensetzen. Wir haben damals entschieden, dass die Teams jedes Jahr neu zusammengestellt werden. Aber da haben wir inzwischen nachgesteuert. Zuletzt haben wir gesagt, ein Jahr ist zu kurz, wenn wir Personalentwicklung machen wollen, also wechseln die Teams jetzt alle zwei Jahre.
Wir haben also immer daran weitergearbeitet. Mir persönlich macht das ganz großen Spaß, insbesondere das Thema Personalentwicklung.

Wenn du so in die Richtung Personalentwicklung denkst, was sind denn die Kompetenzen, die ausgebaut werden müssen? Was wird im öffentlichen Sektor für die Beratung gebraucht? Was brauchen unsere Kolleginnen und Kollegen?

Das ist ganz vielfältig. Zunächst war da die Überlegung: Die IMTB-Belegschaft ist so gewachsen, dass die einzelne Person vielleicht gar nicht mehr so richtig gesehen wird. Am Anfang stand also diese ganz naive Idee, die Kolleginnen und Kollegen noch mal besser sichtbar zu machen. Also sich gesehen zu fühlen, wertgeschätzt zu fühlen und mit einem Anliegen auch wirklich durchzudringen; allein durch den Umstand, dass es nun vier, dann fünf weitere Personen gibt, auf die sich diese Aufgabe verteilt. Und aus der umgedrehten Perspektive: Näher dran zu sein an den Kolleginnen und Kollegen, über die Konstellationen hinaus, die das Projektstaffing an Teams hervorbringt. Das war der Grundgedanke. Und daraus hat sich alles entwickelt. Was brauchen die Kolleginnen und Kollegen denn eigentlich, um gesehen zu werden? Was brauchen sie, um gefördert zu werden? Die Teammanagerinnen und -manager nehmen sich dafür die Zeit in Einzelgesprächen und in Team-Jour Fixes. Und neben der Arbeit in den einzelnen Teams haben wir auch einen wöchentlichen einen Jour Fixe, um uns und unsere Aufgaben weiterzuentwickeln.

Wenn Du „gesehen werden“ sagst, fällt mir ein, dass wir beide uns des Öfteren über das Thema Diversität unterhalten haben. Du hattest uns auch ein Statement zum Coming-Out-Day gegeben und damals aufgefordert: „Kommt mal raus aus dem Schrank“. Also die Aufforderung sich sichtbar zu machen. Oft ist der Adressatenkreis ja genau umgekehrt gewählt. Ich fand es interessant, dass du es so rum formuliert hattest.

Es müssen ja immer beide Perspektiven gegeben sein in einer sozialen Interaktion: Eine Seite, die sich öffnen möchte, und eine Seite, die sich auf die Öffnung einlassen möchte.
Unsere Branche ist eindeutig männerlastig, bei der IMTB nicht so extrem, aber doch auch. Bei anderen Unternehmen in der Branche ist das noch viel stärker ausgeprägt und bei manchen auch auf eine ganz unangenehme Art. Ich weiß, dass der Begriff toxische Männlichkeit überstrapaziert ist, aber er lässt sich darauf schon anwenden. Da wird kokettiert mit endlosen Überstunden, wie tough man im Umgang mit sich selbst ist und wie man sich dann wieder mit irgendwelchen Extremsportarten seinen Ausgleich verschafft. Abweichende Einstellungen finden wenig Bestätigung oder Akzeptanz.
In einem solchen Branchen-Umfeld ist es als schwuler Mann noch mal schwieriger zu sagen: Ich adaptiere das Bild nicht für mich. Was vielleicht aber auch nur bedingt was mit der Homosexualität zu tun hat, denn es gibt natürlich schwule Männer, die das genauso leben und das genauso für sich adaptieren. Aber worauf ich hinauswill, ist, dass vielleicht die Sorge größer ist in so einem Umfeld zu sagen, ich spiele das nicht mit, als in einem anderen Umfeld. Wenn ich Make-up-Artist am Theater bin, habe ich die Probleme wahrscheinlich nicht.
Ich finde es einfach wichtig, dass es in einem Unternehmen eine Atmosphäre gibt, wo man das gar nicht groß und plakativ thematisieren muss. Auf der anderen Seite soll es eben auch überhaupt gar kein Problem sein, dass ich, wenn alle von ihrem Urlaub erzählen, dann eben auch sagen kann: Ich war mit meinem Mann im Urlaub.
Ich habe im beruflichen Kontext nie eine direkte Diskriminierung erfahren, aber man nimmt eben auch viel „Angriffsfläche“ vorweg. Also aus einer Vorsicht heraus.

Aber Diversität ist ja viel breiter! Im Diversity Management geht es darum, dafür zu sensibilisieren, dass die Menschen in einem Team sehr unterschiedlich sein können: ethnisch, kulturell, bezüglich ihrer Persönlichkeitsmerkmale oder eben auch aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität. Manche dieser Eigenschaften sind irrelevant für unsere Arbeit, andere prägen hingegen unsere Erfahrungen sehr stark und damit die Art und Weise, wie wir Dinge sehen, Situationen einschätzen oder Lösungsansätze entwickeln. Und darin liegt das Potential: Diese Unterschiedlichkeit bei den anderen im Team sehen zu wollen und einbinden zu können und – im besten Fall konstruktiv und kreativ – in die Arbeit einfließen zu lassen.

Vor zwei Jahren haben wir uns das erste Mal über das Thema Diversity ausgetauscht. Damals ging es unter anderem darum, ob man Symbole und Zeichen auf der Website verwenden sollte. Du hattest damals darauf hingewiesen, dass diese Zeichen für diejenigen, die homosexuell oder queer sind, signalisieren, dass man willkommen ist und in der Firma offen damit umgehen kann.

Genau. Natürlich gibt es „Pinkwashing“, also die Selbstdarstellung als „queerfriendly“ als reine PR-Maßnahme. Irgendwo eine Regenbogenfahne in die Ecke der Website zu klatschen, da ist noch nichts darüber gesagt, wie einem Kolleginnen und Kollegen tatsächlich begegnen werden. Und das ist letztlich das, worauf es ankommt. Dennoch ist es ein erstes kleines Signal, das Betroffenen, die sich überlegen, zu uns ins Team zu kommen, nicht entgehen wird.

Lieber Florian, vielen Dank Dir für das interessante und offene Gespräch. Ich würde zu gerne mal mit Dir in eine Ausstellung über mittelalterliche Buchmalerei gehen.